5 Tipps zur Mitarbeiterbindung – abgeschaut von Landwirtin Krause

Vom Kalb gucken zunächst nur die Hufe heraus, dann die Zunge, jetzt der Kopf. Aber das reicht nicht. Kuh-Mutter Elke braucht Hilfe. Landwirtin Lucie Krause und ihr Mann Lutz ziehen mit einem Seil an den Hufen. Und dann geht es schnell: Das Kalb ist draußen! Kaum liegt es auf dem Boden, wird es von Mutter Elke abgeschleckt.

Elke ist zum zwölften Mal Mutter geworden, und wir waren live dabei! Wir haben nämlich als Familie „Ferien auf dem Bauernhof“ gemacht, inkl. Hahnenschrei um 4.48 Uhr.

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Lucie Krause (60 Jahre) ist Chefin über 50 Rinder und 28 Hühner. Sie hat den Hof von ihren Eltern geerbt. Eigentlich könnte sie die Beine hochlegen und ihre Rente genießen, aber sie ist Landwirtin aus Leidenschaft. Und sie ist eine gute Landwirtin, nicht nur in meinen, sondern auch in Salomos Augen. Denn sie setzt fünf Prinzipien um, die nicht nur in der Landwirtschaft gelten, sondern auch im Management und in der Erziehung.

1) Gut behandeln

Lucie Krause betrachtet ihre Kühe nicht als Milchmaschinen, sondern als Kühe. Sie versucht, ihnen optimale Bedingungen zu schaffen.

Die Kühe können sich immer frei bewegen, auch im Winter. Das ist keine Selbstverständlichkeit, gibt es doch Landwirte, die ihre Kühe im Winter anbinden. Das einzige, was die Kühe dann machen können: aufstehen und hinlegen, aufstehen und hinlegen.

Die Liegeboxen auf dem Hof Krause sind mit Stroh ausgepolstert. Das ist weicher als Liegeboxen mit Gummimatten, die es in vielen Höfen gibt, aber auch arbeitsintensiver und damit teurer.

Doch kommen wir zu Kuh Elke. Sie war im letzten Jahr gefallen und hatte sich einen Bluterguss im Euter sowie Prellungen zugezogen. So manch anderer Landwirt hätte sie geschlachtet, Lucie Krause nicht. Sie stellte sie trocken, d.h. Elke musste keine Milch mehr liefern, und ließ sie auf einer Extraweide in Ruhe gesund werden.

So, und jetzt kommt das Tolle: Das alles wird von den Kühen und besonders von Elke belohnt, gemäß dem Salomo-Wort:

“Wer gern wohltut, wird reichlich gesättigt, und wer [andere] tränkt, wird auch selbst getränkt.” (Sprüche 11,25)

Wie lautet nun der Lohn für Lucie Krause? Zunächst einmal das Kalb, das Elke pünktlich lieferte, nachdem sie wieder gesund war.

Und das “wird auch selbst getränkt” könnte man wörtlich nehmen. Denn Lucie Krause wird von Elke mit Milch ohne Ende getränkt: 140.000 Liter Milch hat Elke geliefert. Damit ist sie die erfolgreichste Kuh im Ammerland.

Zum Vergleich: Eine durchschnittlich gute Kuh liefert rund 30.000 Liter Milch – und drei Kälber. Bei Elke sind es, wie eingangs gesagt, 12 Kälber.

2) Freundlich sein

Kühe sind auch nur Menschen. Und so behandelt Lucie Krause sie auch. Sie ist zwar bestimmt, aber freundlich, und das aus gutem Grund, wie sie erzählt:

“Man kriegt es von den Kühen zurück, wenn man in der Hektik mal unfreundlich zu ihnen wird.”

Aha, ganz nach Salomos Spruch:

“Eine sanfte Antwort wendet Grimm ab, aber ein kränkendes Wort erregt Zorn.” (Sprüche 15,1)

Worin zeigt sich der Zorn der Kühe bzw. der Nachteil für Lucie Krause?

“Wenn ich eine Kuh vermöbeln und anbrüllen würde, weil sie nicht sofort in Richtung Melkmaschine marschiert, dann würde die das nächste Mal ganz hinten stehen bleiben und sich genau überlegen, ob sie kommt oder nicht.”

Freundlichkeit gegenüber Kühen sei das Ökonomischste, sagt mir Lucie Krause: “Eine Kuh, die nicht gerne zum Melken kommt, die das nicht als Entlastung sieht, die gibt auch nicht so viel oder auch gar nicht.” Kühe können nämlich ihren Milchfluss stoppen, wie ich von Lucie Krause erfahre.

3) Gut zureden

Lucie Krauses Mann könnte eifersüchtig werden, wenn er sähe, wie nett seine Frau zu Emmchen ist: Sie krault ihr das Euter (nicht: “der Euter”!), streichelt ihr übers Fell und redet ihr gut zu. Warum? Emmchen ist noch nicht so vertraut mit der Melkmaschine. Sie tritt nach der Melkmaschine, um die Zitzenbecher, mit denen sie gemolken wird, abzuschlagen.

In diesem Fall gilt es besonders freundlich zu sein, sagt mir Landwirtin Krause. “Ich könnte sie auch durch Zwangsmaßnahmen dazu zwingen, die Füße unten zu lassen, aber gutes Zureden ist für alle Beteiligten hilfreicher.”

Ganz nach Salomo:

“Freundliche Worte sind Honig, Süßes für die Seele und Heilung für das Gebein.” (Sprüche 16,24)

4) Grenzen setzen

Freundlich sein, okay. Gut zureden, wunderbar. Doch den Kühen ganz ihren Willen lassen, das geht auch nicht.

Kühe mögen es auszubüxen. Sie gehen gern auf und davon. Bei aller Freiheitsliebe, dem ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Riegel vorzuschieben. Es gibt einen Weidezaun, und es gibt Türen, die nicht nur geöffnet, sondern auch geschlossen werden.

Und wenn das Tor doch einmal aus Versehen offen ist? “Die Kühe finden sofort die Lücke. Da muss ich dann auf der Stelle hinterher und denen klarmachen, wo sie hingehören”, sagt Landwirtin Krause.

Hinzu kommen noch weitere Grenzen, wie regelmäßige Zeiten, zum Beispiel beim Melken.

Grenzen setzen: Dazu sagt auch Salomo etwas:

“Wenn einer seinen Diener von Jugend auf verhätschelt, so wird der zuletzt rebellisch.” (Sprüche 29,21)

Rebellisch werden Kühe zum Glück nicht, wie Landwirtin Krause mir sagt. Mitarbeiter schon, wie mir andere Manager gesagt haben.

5) Individuell behandeln

Keine Kuh ist wie die andere.

Evi, “das Ferkel” ist eine Kuh. Sie hat ihren Spitznamen daher, dass – na ja, man muss sie nur einmal anschauen. Sie mag es im Dreck zu liegen. Das ist auf einem so sauberen Bauernhof wie bei Krauses eigentlich nicht möglich, für Evi aber schon. Alle liegen auf der Weide, Evi nicht. Sie hat sich ihr dreckiges Plätzchen gesucht. Dummerweise ist Evi fast ganz weiß, so dass sich ihre Vorliebe nicht verbergen lässt.

Annemone, genannt “Der Panzerknacker” (mit einer Brille wie die Panzerknacker bei Donald Duck) macht ihrem Spitznamen alle Ehre: Sie ist ihren Mitkühen gegenüber rabiat und stößt sie gerne vom Futter weg.

“Ich muss schon mal öfter mit ihr schimpfen”, sagt Landwirtin Krause. “Das weiß sie ganz genau. Sie weiß genau, was sie darf und was nicht. Emmchen hingegen darf ich nicht so hart anpacken.”

Elsa, die ganz schwarze Kuh, hält sich am liebsten in der Futterbox auf. Und was macht sie da? Nicht einfach nur fressen, was da liegt, wie die anderen Kühe. Sondern immer mit dem Kopf gegen das Brett stoßen. Denn durch diese Erschütterung fallen ein paar Körner Kuhfutter zusätzlich für sie heraus.

“Damit kann die sich stundenlang beschäftigen”, sagt Landwirtin Krause. Aber da gilt es aufzupassen (Grenzen setzen!) und sie auch mal aus der Futterbox herauszubefördern. Die anderen Kühe werden nicht aus der Futterbox getrieben, weil sie nur das abrufen, was ihnen zusteht

Das sind nur drei Beispiele. Schnell wird klar. Bei Krauses haben die Kühe zwar (wie gesetzlich vorgeschrieben) Nummern, sie sind aber keine Nummern.

Landwirtin Krause kennt jede Kuh mit Namen. Sie kennt die Mutter, die Großmutter und Urgroßmutter jeder einzelnen Kuh.

Oh, beinahe hätte ich den Salomo-Spruch zum Thema “individuell behandeln” vergessen. Hier ist er:

“Erziehe den Jungen seiner Eigenart gemäß!” (Sprüche 22,6)

Dieser Spruch bezieht sich auf die Erziehung: Eltern sollten den Charakter ihrer Kinder berücksichtigen und nicht alle Kinder uber einen Kamm scheren. Dieser Spruch setzt auch Landwirtin Krause um, wenn sie den Charakter ihrer Kühe berücksichtigt. Und so sollten auch Führungskräfte auf den Charakter ihrer Mitarbeiter eingehen.


Mitarbeiterbindung durch Liebe

Warum werden die Kühe bei Landwirtin Krause so alt? Warum schenken sie ihr so viele Kälber und so viel Milch? Die fünf genannten Prinzipien geben die Antwort.

Wollte man den Schlüssel für Kuhbindung à la Mitarbeiterbindung bei Landwirtin Krause in einem Wort beschreiben, dann wäre es “Liebe”.

“Man muss Kühe lieben. Es muss einem an ihnen etwas gelegen sein”, sagt sie. Wenn einer Kühe liebt, dann Landwirtin Krause. Das zeigt sie nicht nur in ihrem Führungsverhalten, sondern auch in ihrer Sprache. Wenn sie über ihre Kühe spricht, fangen ihre Augen an zu glänzen.

Wenn ich eine Kuh wäre, dann hätte ich gern Landwirtin Krause als Chefin.

Kommentare (4)

  1. Im Vergleich (und NUR im Vergleich) zu der Haltung von Milchkühen in der Massentierhaltung kann man wohl sagen: Dass die Kühe auf der Wiese sein können und weitestgehend tun und lassen können, was sie wollen, ist sicher ein Pluspunkt (auch wenn genau das eigentlich das natürlichste der Welt/eine Selbstverständlichkeit sein sollte). Auch, dass sie überhaupt Nähe und sowas wie “Liebe” erfahren können. Und ich verstehe auch den Dreh zur Mitarbeiterbindung. Trotzdem liegt hier für mich zu viel “Ausbeutung” in der Luft, als dass es ein gutes Beispiel für Mitarbeiterbindung sein könnte. Kurz erklärt:

    “Wenn ich eine Kuh wäre, dann hätte ich gern Landwirtin Krause als Chefin”

    Nichts gegen Landwirtin Krause – wie schon oben gesagt, ist hier möglicherweise einiges weit besser als in anderen Betrieben der Massentierhaltung. Ich bin mir aber nicht sicher, ob es Ihnen wirklich gefallen würde, 12 Mal ein Kalb zu bekommen, obschon Ihr Körper nur eine Anzahl von ca. 3 Kälbern vorsieht (kann man sich ja mal ausrechnen: 9 Monate Tragzeit und das 12 mal – die Kuh war also mindestens 9 Jahre ihres Lebens schwanger. Sicher kein leichter Zustand für einen Körper – ob Kuh oder nicht Kuh).

    Aber: Kühe geben eben nur Milch, wenn sie Junge kriegen. Daher werden die Kühe ständig künstlich befruchtet – damit immer Milch fließt. Das ist kein Zeichen von: “Ich geb dir ein Kalb, weil Du mir Liebe gibst” (Mitarbeiter), sondern eben am Ende doch nur Ausbeutung und eher “Ich hol alles aus dir raus, bis nix mehr übrig ist” (Arbeitgeber).

    Es ist hier nicht ganz ersichtlich, was aus den vielen Kälbern eigentlich wird. Im Normalfall werden diese der Mutter entweder direkt oder wenige Tage nach der Geburt weggenommen. Warum: Weil der Mensch entschieden hat, dass die Milch nicht an das Kalb, sondern an den Menschen gehen soll. Und was passiert mit den Kälbern? Die werden gemästet und dann selbst zu Milchkühen oder – falls sie männlich sind – geschlachtet. Auch hier: Ausbeutung – gepaart mit seelischer Folter. Vielleicht lohnt es sich, darüber mal nachzudenken ;)

  2. Danke für den anregenden Text und das anschauliche Beispiel. Mit der “Live-Geburt” hast du mich echt neugierig gemacht! :-)

    @Susann: jedes Bild hinkt irgendwo. Ja, Zuchttiere dienen der menschlichen Ernährung. Man könnte jetzt darüber streiten, ob das gut oder schlecht ist. Mir scheinen es diese Zuchtkühe jedenfalls besser zu haben, als manche ihrer Kolleginnen.

  3. Moin, Herr Dr. Lengen,

    ich bin von Ihrem Artikel begeistert, dem ist von meiner Seite nichts hinzuzufügen. Die Reaktionen darauf sind ebenfalls interessant und auch zum Teil so von mir erwartet, es bestätigt mein Anliegen, wie wichtig es ist, Kindern (und auch oft deren Eltern) einen Bezug zu den Tieren und den von ihnen erzeugten Nahrungsmitteln zu geben.

    Liebe Grüße an Ihre Familie

    Lucie Krause

  4. Hallo lieber Dr. Lengen.
    Vor kurzem hörte ich von einer ‘Milchfabrik’, die in Moorhusen (Ostfriesland) errichtet wird. Und bei Rastede im Ammerland (keine 20 km von Lucie Krauses Hof entfernt) soll eine Milchproduktionsanlage für mehr als 900 Kühe gebaut werden.
    In einer solchen Milchfabrik werden die Kühe niemals einen Menschen, die Sonne oder einen Grashalm zu sehen bekommen. Ihr gesamtes Leben ist computergesteuert und automatisiert. Wenn eine Kuh an einigen aufeinander folgenden Tagen ihr Milchsoll nicht erfüllt, kommt sie zum Schlachthof. Von artgerechter Tierhaltung kann hier keine Rede mehr sein, von individueller Fürsorge ganz zu schweigen.
    Ich freue mich, dass Sie durch diesen Beitrag über den Krause-Bauernhof Ihren Lesern das Herz geöffnet haben – für Gerechtigkeit gegenüber allen Geschöpfen – wiederum ganz getreu Ihrem großen Meister Salomo, der vor 3000 Jahren geschrieben hat: “Der Gerechte kümmert sich um das Wohlergehen seines Viehs, aber das Herz der Gottlosen ist unbarmherzig” (Sprüche 12,10).