“Er war immer scharf auf das, was andere gerade hatten”

Er war fast so reich wie Salomo. Sein Privatvermögen wurde auf 250 Millionen Euro geschätzt, und dann besaß er ja noch die Hälfte an dem von ihm gegründeten Verlag, der 650 Millionen Euro wert sein soll.

Dennoch berichtet der Journalist Claus Jacobi folgendes über ihn: “Wenn ich mit ihm essen ging, bestellte ich nach Möglichkeit, was er gewählt hatte. Sonst probierte er gern von meinem Teller. Er war immer scharf auf das, was andere gerade hatten.” (Claus Jacobi: Fremde, Freunde, Feinde. Ein private Zeitgeschichte, Berlin / Frankfurt 1991)

Vom wem ist die Rede? Von Rudolf Augstein, dem Herausgeber der Wochenzeitschrift “Der Spiegel”. Claus Jacobi bescheinigt Augstein zwar in demselben Absatz, dass Geld kein Götze für ihn gewesen sei, aber es bleibt dabei: Rudolf Augstein hatte alles, aber wollte immer mehr. In Salomos Worten:

“Totenreich und Abgrund werden nicht satt, und die Augen des Menschen werden nicht satt.” (Sprüche 27,20)

Sie sagen jetzt natürlich: “Na ja, wenn ich so viel wie Salomo oder wie Augstein hätte, dann wäre ich zufrieden.” Ich muss Sie enttäuschen. Wenn Sie so sind wie ich, dann orientieren Sie sich immer an den anderen, und zwar denen, denen es besser geht. Damit Sie mir Glauben schenken, hier abschließend ein Zitat von David Packard, dem Gründer von Hewlett Packard: “Es gibt ein altes Sprichwort über Löhne und Gehälter: Sie können noch so hoch sein, der Mitarbeiter meint immer, er brauche 10 Prozent mehr.” (David Packard: Die Hewlett Packard Story, München 1996, Seite 82)

Kommentare (2)

  1. Oder: Man will immer das, was man gerade nicht hat. Ob es nun mein Gegenüber hat oder nicht, spielt dabei kaum eine Rolle. Der macht mich nur aufmerksam auf das, was ich nicht habe. Vielleicht kommt das daher, dass man oft selbst nicht weiß, was man will.
    Btw: Wäre es nicht so, dass man immer das wollte, was man nicht hat oder nicht erreichen kann, würde man sich nicht mehr weiterentwickeln. Es käme zum Stillstand – und die Menschen würden heute noch immer in Höhlen leben (oder so ähnlich ;-))

  2. Vermutlich würden die meisten von uns behaupten, dass es uns anders gehen würde – so auch ich. Wenn ich wahnsinnig viel habe, dann ist ja “alles prima”. Vermutlich würde es den meisten von uns so gehen – so vermutlich auch mir…
    Andererseits (@Susann): Woher kommt in manchen Situationen das “Es müsste immer genau so wie jetzt sein”-Gefühl?