Erst zuhören, dann meckern!

Mittlerweile hatte ich mich selbst getröstet. Sie wissen schon: Ich konnte nicht an diesem Wichtig-Projekt teilnehmen. Nur: Ich wollte diesem guten Mann, der mich hatte hängen lassen und mich zudem nicht einmal informiert hatte, die Meinung sagen.

Oder zumindest meine Enttäuschung mitteilen. Oder – was wollte ich überhaupt? Ich fürchte, ich wollte meinen Rest-Frust loswerden. Zum Glück fiel mir vor dem Abheben des Telefonhörers das folgende Salomo-Wort ein:

“Wer Antwort gibt, bevor er zuhört, dem ist es Narrheit und Schande” (Sprüche 18,13)

D.h. ich sollte nicht loslegen, sobald mein lieber Gesprächspartner – unschuldig wie er ist oder meint zu sein – den Hörer abhebt. Sondern: Erst mal abwarten, was er dazu zu sagen hat. Vorwürfe machen kann ich ja auch später. Also gut, versuchen wir es auf die nette Weise. Nach einem freundlichen Einstieg sagte ich ihm, ich hätte meinen Namen bei der Projektvorstellung vermisst und sei enttäuscht, da es ein wichtiges – und mit wichtig meinte ich: “wichtig” – Projekt sei. Dann fragte ich, so lieb wie möglich: “Wie konnte es dazu kommen?”.

Fragen, zuhören und dann weitersehen
Wie ich schon befürchtet hatte, hatte der Kerl eine gute Ausrede, nein, es war dummerweise nicht nur eine Ausrede, sondern ein stichhaltiger Grund: “Ich hatte keinen Einfluss auf die Vergabe: Herr M. hatte da seinen Daumen drauf.” Schade, jetzt konnte ich nicht mehr bei ihm meinen Dampf ablassen.

Doch! Er hatte ja nicht nur nicht geschafft, mich dort unterzubringen. Er hatte mich darüber nicht einmal informiert. Ich: “Warum haben Sie mir nicht früh genug Bescheid gesagt? Dann hätte ich es noch auf anderem Wege probiert.” — Er: “Wieso? Ich habe Ihnen doch eine E-Mail dazu geschrieben.” — Ich: “Ich hab’ nix bekommen.” – Aber wie Sie ahnen, konnte ich auch hier dem guten Mann nichts vorwerfen. Er wurde mir so langsam wieder sympathisch.

Meine Belohnung: gemeinsame Lösung
Der Lohn folgte auf dem Fuße: Weil ich meinen Gesprächspartner mit meinem Frust verschont habe, konnten wir beide gemeinsam überlegen, wie er mir anderweitig helfen kann. Und dazu war er doch tatsächlich bereit (zum Glück konnte er nicht meine Gedanken vorher lesen!). Er versprach mir, mich bei einem Projekt reinzubringen, “wo er den Daumen selbst drauf hat”. Ich bin gespannt. Wenn’s nicht klappt, habe ich ja wieder etwas zu schreiben fürs Tagebuch.