Service schlägt Größe

Neulich in einem 4-Sterne-Hotel in München: “Können Sie mir bitte zwei Spiegeleier bringen?” Der Kellner nimmt meine Bestellung entgegen – und räumt in aller Ruhe zwei, drei Nachbartische ab. Dann kommt er wieder zu mir und sagt: “Können Sie bitte die Spiegeleier direkt dort hinten bestellen?”

Am Mittagstisch sitze ich mit Kerstin Joan König zusammen. Vor ihrem Urteil habe ich Respekt; schließlich hat sie selbst als Geschäftsführerin ein Hotel aufgebaut: das Hotel CampusGarden in Iserlohn.

Begeistern statt zufrieden stellen
Ihr Grundsatz: “Es reicht nicht aus, Kunden zufrieden zu stellen. Kunden müssen begeistert sein!” Das Problem sei, dass Hotels immer nach ihrer Hardware (Zimmer, Ausstattung, Wellness-Bereich) bewertet würden und nicht nach Ihrer Software, nämlich den Mitarbeitern.

“Die Tapete kann sich abschälen, die Fliesen können kaputt sein – aber wenn ich die Wertschätzung und den Einsatz der Mitarbeiter für mich persönlich spüre, bin ich begeistert”, sagt König. “Wenn die Einrichtung toll ist, wie z.B. dieses Bild da, ich aber nicht gut bedient werde: Dann denke ich nach Verlassen des Hotels nicht an das tolle Bild, sondern daran, dass ich ignoriert wurde.” In Salomos Worten:

“Besser ein Gericht Gemüse, und Liebe ist da, als ein gemästeter Ochse und Hass dabei.” (Sprüche 15,17)

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Auch König legte als Geschäftsführerin des Hotels großen Wert auf die Zimmer. So übernachtete sie häufiger im eigenen Hotel. “Nur so konnte ich feststellen, wie ich die Kunden begeistern kann”, sagt sie.

Aha, erst die Liebe zum Kunden. Und daraus resultiert dann die ausgezeichnete Dienstleistung. Salomo würde in diesem Fall sagen: “Die Liebe sorgt schließlich doch für den gemästeten Ochsen.” Was heißt das für Sie und für mich, die wir vielleicht nicht über die anerkannteste Hardware verfügen? Wir können sie mehr als wettmachen durch Liebe zum Gegenüber – ob Mitarbeiter oder Kunde.

Mitarbeiter begeistern
König: “Wenn Sie die Mitarbeiter begeistern, werden diese nicht gleich zur Konkurrenz überwechseln, nur weil sie mehr Geld bekommen. Bezahlen Sie in der Währung ´Begeisterung´!”

Also kommt es gar nicht aufs Geld an? “Doch”, sagt König. “Ich habe meine Mitarbeiter immer über Tarif bezahlt. Aber das allein reicht eben nicht.” Wie begeistere ich denn die Mitarbeiter? “Sie müssen selbst begeistert sein”, sagt König. “Sie müssen sich wirklich für Ihre Mitarbeiter interessieren, sie fragen, wie sie sie unterstützen können. Und Sie dürfen sich nicht zu schade sein, selbst die Dreckarbeit zu machen, wenn Not am Mann ist.”

Mit Einsatz begeistern
Also nicht die Größe Ihres Unternehmens ist entscheidend, sondern IHR EINSATZ! Mark Twain hat einmal gesagt:
“It´s not the size of the dog in the fight, it´s the size of the fight in the dog.”

Am Abend in der Rezeption des Hotels: Ich frage die Rezeptionistin, wo ich hier in der Nähe joggen kann. “Eigentlich auf den Theresienwiesen”, sagt sie. “Aber da ist im Moment eine große Veranstaltung.” Also fällt das Joggen heute aus? “Moment”, sagt sie und zieht einen Stadtplan aus der Schublade. Sie malt einen Kreis im unteren Drittel der Theresienwiesen. “Die Veranstaltung blockiert nur den oberen Teil der Theresienwiesen. Hier unten können Sie gut joggen”. Na, also – geht doch!

Kommentare (4)

  1. Lieber Ralf Lengen, Genau so ist es!
    Ich glaube, wir suchen in Wahrheit in unserem Konsum gar nicht in erster Linie die Ware oder die technische Dienstleistung an sich. Wir suchen Wertschätzung. Das kann für die Dame der Pelz, für den Herrn der Porsche sein. Deren Wirkung ist freilich oberflächlich und wird irgendwann verpuffen. Stärker als Dinge wirkt die Wertschätzung von Menschen auf meine Seele. Wie schön, wenn Lieferanten und Dienstleister dieses Bedürfnis erkennen und in einem angemessenen Rahmen darauf eingehen. Das ist viel wert.
    Die Worte eines gedankenlosen Schwätzers verletzen wie Messerstiche; was ein weiser Mensch sagt, heilt und belebt. Spr. 12,18 (HFA)

  2. Dieses ansprechende Beispiel aus der Praxis gibt wieder einmal Einblick in die “Servicewüste Deutschland”. Zum Glück ist das nicht immer und überall so. Interssant und richtig, was die Hotel-Geschäftsführerin sagt. Durch Liebe zum Gegenüber, ob Mitarbeiter oder Kunde, ein besseres Miteinander – und damit zum Erfolg. Ein schöner Gedanke, der sich eigentlich leicht in die Tat umsetzen lässt …